Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V.

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Berichte chronologisch

April 2004: Masterplan: Zwischenbilanz im Pergamonmuseum

Nun kehrt also wieder Ruhe ein in den Grüften des Pergamonmuseums. Seit Oktober 2002 wurden rund 2000 Steinobjekte und 4200 Relikte aus organischen Materialien sowie diverse Aegyptiaca aus Stuck, Metall oder Ton vermessen, gewogen und katalogisiert. Bis zu 20 Mitarbeiter der Firma 'Restaurierung am Oberbaum' haben dieses Mammutprojekt gemeinsam mit den Angestellten des Ägyptischen Museums zu einem erfolgreichen Ende geführt. Doch warum das alles?

Natürlich gehört es zu den ureigensten Aufgaben eines Museums, seine Bestände zu erfassen und zu pflegen. Aber der bevorstehende Umzug aller Sammlungen mitsamt ihren Depots aus dem Pergamonmuseum stellt eine gewaltige Aufgabe dar, die nur in der kriegsbedingten Räumung des Gebäudes in den späten dreißiger und den frühen vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts ihresgleichen findet. Der Auftrag 'Begutachtung und Sicherung zur Baufreimachung' bedeutete nichts anderes, als jedes Stück in der Ausstellung wie in den Depots hinsichtlich seiner Transportfähigkeit zu beurteilen und gegebenenfalls restauratorische Maßnahmen zu planen. Ziel aller Beteiligten ist ein schadensfreier Transport, der gleichzeitig jedoch die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht übersteigt - eine Gratwanderung, welche die 'Oberbäumer', wie die externen Planer für die ägyptische Sammlung inzwischen fast liebevoll genannt werden, mit Akribie und hervorragender Fachkenntnis bewältigt haben. Ende März 2004 werden die Listen, die über jedes ägyptische Objekt im Pergamonmuseum Auskunft erteilen, dem 'Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung' als Auftraggeber übergeben. Ausgenommen sind allein die rund 40.000 Papyri, Ostraka und andere Objekte der Papyrussammlung, die wegen ihres gewaltigen Umfangs als Gruppe erfasst wurden. Im April werden also alle planerischen Weichen für den Umzug gestellt sein.

Aber es kommt erst einmal anders: Nach der Prüfung der eingereichten Unterlagen werden die Träger auf Seiten des Bundes zu entscheiden haben, wann die weiteren Planungen zur Ausführung des Vorhabens in Auftrag gegeben werden. Dank einer Datenbank, die zukünftig vom Museumspersonal gepflegt wird, sind die Mitarbeiter von 'Restaurierung am Oberbaum' jedoch jederzeit in der Lage, an das Bestehende anzuknüpfen.

Aber nicht allein die Baufreimachung der beweglichen Objekte im Pergamonmuseum hat in den letzten Monaten für produktive Unruhe gesorgt, denn auch die Großarchitekturen des Ägyptischen Museums sollen nach der Grundinstandsetzung und Ergänzung in das Pergamonmuseum einziehen. Geplant ist ihre Aufstellung im '4. Flügel', der zukünftig die Front zum Kupfergraben abschließen soll. In diesem von dem Kölner Architekten O. M. Ungers als transparenter Körper geplanten Segment werden das Kalabscha-Tor und die Architekturteile aus dem Tempel des Sahure einziehen, die sich bislang noch in Charlottenburg befinden. Somit wird den Besuchern im neuen Pergamonmuseum ein einzigartiger Architekturrundgang geboten werden, der 4000 Jahre Kulturgeschichte umfasst: Am Beginn stehen die altägyptischen Exponate, es folgt die Sammlung vorderasiatischer Altertümer mit dem aramäischen Tell Halaf-Tor, der babylonischen Prozessionsstraße und dem IschtarTor, dann die Antike mit dem römischen Markttor von Milet, dem Pergamonaltar und dem hellenistischen Saal und schließlich das Islamische Museum mit der Fassade des ummayyadischen Wüstenschlosses Mschatta.

Während der Planungen im Projektbereich 'Ägyptisches Museum und Papyrussammlung' haben alle Beteiligten viel dazugelernt und neuartige Ideen zur Restaurierung entwickelt. Darüber hinaus ist die Situation eine andere als bei den bereits im Haus befindlichen Sammlungen, denn hier gilt es, einen Neubau mit einer neuen Ausstellungskonzeption zu präsentieren. So wird das Kalabscha-Tor im Pergamonmuseum nicht mehr den Anschein eines Solitärs erwecken. Durch die Öffuung der seitlichen Konstruktion wird vielmehr deutlich werden, dass es ursprünglich Teil einer Ummauerung war, die aus Nilschwammziegeln bestand. Auch mit den Ergänzungen der fehlenden Blöcke wird man anders umgehen als bisher und allein die Kubatur des Baukörpers wiederherstellen, auf die Rekonstruktion der Reliefs aber verzichten.

Auch die Architektur des Sahure- Tempels betrachtet man nun mit anderen Augen. Messungen an zwei Säulen haben gezeigt, dass die Stützen 'leben', d.h. auf klimatische Veränderungen reagieren. Will man anders als in der bisherigen Aufstellung die Säulen tragfähig machen, die Architrave also nicht in die Deckenkonstruktion einhängen, müssen die jetzigen Ergänzungen teilweise abgenommen und durch ein stabileres Material ersetzt werden.

Nun kehrt also wieder Ruhe ein - in den Grüften des Pergamonmuseums wie in Charlottenburg. Doch wird diese Ruhe nur von kurzer Dauer sein, denn schon steht ein weiteres Großprojekt vor der Tür: die Planung der fest einzubauenden Objekte für das Neue Museum. Wenigstens in den Steindepots wird dann wieder die Unruhe einkehren, die wir schon zu vermissen beginnen.

Katja Lembke
(Artikel der Mitgliederzeitschrift aMun)

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