Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V.

Bilderliste (zur Bilddarstellung bitte anklicken)
Zum vorherigen Artikel
15.  von  163  Artikeln
Zum nächsten Artikel

Berichte chronologisch

März 2005: Masterplan: Hieroglyphen um Nofretete

Die Schließung des Ägyptischen Museums in Charlottenburg am 1. März 2005 musste so geplant werden, dass die Büste der Nofretete als Ikone Berlins den Besuchern der Stadt ohne Unterbrechung zur Verfügung stehen würde. Bereits am Morgen des 2. März 2005 wird sie ab 10 Uhr im Kulturforum am Matthäikirchplatz bei der Philharmonie zu sehen sein - nicht nur an neuem Ort, sondern auch in einem neuen, ungewohnten Kontext. Auf zwei Ebenen, in der unteren und oberen Ausstellungshalle, zeigt das Ägyptische Museum in Zusammenarbeit mit den Museen am Kulturforum - Neue Nationalgelerie, Kunstbibliothek, Kupferstichkabinett, Gemäldegalerie und Kunstgewerbemuseum - die Sonderaussstellung 'Hieroglyphen um Nofretete'. Ausgangspunkt der konzeptionellen Überlegungen war die Absicht, Nofretetes Gastspiel am Kulturforum bis zur Wiedereröffnung des Ägyptischen Museums im Alten Museum am 3. August 2005 zu einem Dialog mit den dort ansässigen Sammlungen zu nutzen, also diese vorübergehende Nachbarschaft zu thematisieren.

Nofretete als die Hieroglyphe, die Chiffre, das Symbolzeichen für Altägypten schlechthin gibt den Anstoß, das Hieroglyphische in der Kunst Europas aufzuspüren, von der Emblematik der Renaissance bis hin zur zeichenhaften Bildsprache zeitgenössischer Künstler.

Nicht Ägypten-Rezeption und Ägyptomanie sind das Thema; hierzu haben Ausstellungen und zahlreiche Publikationen in den letzten Jahren erschöpfend Auskunft gegeben, Es geht vielmehr darum, der Lesbarkeit von Bildzeichen nachzuspüren, ungeachtet ihrer Bezugnahme auf Altägypten, die jedoch nicht ausgeschlossen ist.

So finden sich in Albrecht Dürers monumentalem Holzschnitt der Ehrenpforte für Maximilian I. (Kupferstichkabinett) als Symbole der Weisheit die ägyptisierenden Embleme der Schlange, des Ibis und des Apisstiers. In den barocken Landschaften van Heemskercks (Gemäldegalerie) steht der Obelisk als Chiffre für die Antike. Philipp Otto Runge verleiht seinem Tageszeiten-Zyklus durch einen Emblem-Rahmen, den er selbst hieroglyphisch nennt, eine Überhöhung ins Symbolträchtige. Paul Klee, nicht zuletzt durch seine Ägypten-Reise dem alten Ägypten verbunden, entwickelt seine hieroglyphischen Bildzeichen (Museum Berggruen), und Max Ernst erfindet für seinen Zyklus Maximiliana seine eigene Hieroglyphenschrift. Die Bildelemente seiner Skulptur Capricorne (Neue Nationalgalerie) lassen an die Lesbarkeit der Ikonographie altägyptischer Götterbilder denken. In diesem erweiterten Begriff des Hieroglyphischen fügen sich die Strichmännchen von Keith Haring ebenso wie die Lineaturen von Cy Twombly (Sammlung Marx).

In räumliche und gedankliche Beziehung zur 'Hieroglyphe' Nofretete gesetzt, offenbaren diese Werke bislang wenig beachtete Wertigkeiten, aber auch die Büste der Nofretete überschreitet ihren primär historischen Rahmen und lädt zur rein formalen Betrachtungsweise ein. Es bedarf nicht visionärer Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass die Mehrzahl der Nofretete-Besucher weder die Zeit und Muße noch die Bereitschaft mitbringen wird, diese Gegenüberstellungen als Anregung zu begreifen; ein Essay-Band und die Audio-Führung werden jedoch versuchen, das Konzept zu erläutern.

Konventioneller, wenn auch thematisch neuartig bietet sich der zweite, der ägyptologische Teil der 'Hieroglyphen um Nofretete' dar; um die monunentale Nachbildung eines Obelisken aus Athanasius' Kirchers Werken windet sich die Treppe hinunter in die untere Ausstellungshalle des Kulturforums. Dort findet der Besucher die bereits in Ichenhausen gezeigte Ausstellung 'Hieroglyphen - Heilige Zeichen. Schrift und Sprache im alten Ägypten ' die vom Staatlichen Musewn Ägyptischer Kunst München konzipiert und vorbereitet wurde. Sie präsentiert die Schrift als die Grundlage der Kultur des alten Ägypten in all ihren Aspekten. Der Wandel der Schrift von den Hieroglyphen über das Hieratische und Demotische bis zum Koptischen und Meroitischen wird an originalen Schriftträgern aus Papyrus, Stein, Holz, Keramik erläutert. Die Funktion der Schrift in Handel und Wirtschaft, in Politik und Rechtswesen, in Religion und Magie ist an Originaldokumenten aus vier Jahrtausenden nachvollziehbar. Die Literaturgattungen von den Weisheitslehren über die Liebeslieder zu den Götterhymnen erschließen sich vor den Handschriften durch die Übersetzungen in der Audiofuhrung.

Der Entzifferungsgeschichte von Athanasius Kircher bis zu Champollion ist eine Abteilung gewidmet, an deren Ende die Rolle Berlins in der Person von Richard Lepsius und mit der Institution des Wörterbuchs der Ägyptischen Sprache als Berliner Akademie- Projekt gebührenden Raum einnimmt.

Ganz außergewöhnlich ist ein riesiger Holzschnitt aus dem Kupferstichkabinett, Matteo Paganos Ansicht von Kairo aus dem Jahr 1517 mit der ältesten Darstellung der Pyramiden, des Sphinx von Gisa und des Obelisken von Heliopolis. Er steht für die Wiederentdeckung Altägyptens vor einem halben Jahrtausend.

Nach fünf Monaten im Kulturforwn wird Nofretete am 3. August 2005 endgültig auf die Musewnsinsel zurückkehren, um in der neu konzipierten Ausstellung des Ägyptischen Museums im Alten Museum den strahlenden Mittelpunkt der Feierlichkeiten zum 175. Jubiläum der Staatlichen Museen zu bilden und der Botschaft ihres Namens gerecht zu werden: Die Schöne ist gekommen.

Dietrich Wildung
(Artikel der Mitgliederzeitschrift aMun)

Zum vorherigen Artikel
15.  von  163  Artikeln
Zum nächsten Artikel

Überblick

Sie benutzen als Browser claudebot Ihr Browser läßt sich leider nicht genauer ermitteln. | Textversion  | Hinweise zur Barrierefreiheit | Produziert von: RexPublica
Bitte beachten Sie die Hinweise zur Webanalyse