Die sudanesische und die deutsche Flagge flankierten den Zugang zum Areal des Amun-Tempels in Naga, als am Nachmittag des 1. Dezember 2006 die geladenen Gäste aus dem 200 Kilometer entfernten Khartum zur Festtribüne schritten, über die sich ein Schatten spendendes Dach gegen die sengende Sonne spannte. Eine endlose Staubwolke zeichnete in der Steppe den Weg des Buskonvois und der zahllosen Privatfahrzeuge, und ein Helikopter flog Mitglieder des Kabinetts ein.
Der deutsche Botschafter in Khartum, Dr. Stephan Keller, und der sudanesische Minister für Kultur, Jugend und Sport, Mohamed Yousif Abdalla, hatten gemeinsam zur 'Re-dedication', zur Wiedereinweihung des Amun-Tempels geladen. Das Auswärtige Amt in Berlin unterstützte dieses Ereignis im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik durch die Übernahme der Finanzierung einer repräsentativen Publikation in arabischer und englischer Sprache. Sie wird den sudanesischen Sponsoren zur Verfügung gestellt, die in beeindruckender Zahl dem Aufruf der deutschen Botschaft in Khartum gefolgt waren, als Sponsoren zu diesem Fest beizutragen. Der Schatzmeister des Vereins zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin, Dr. Thomas Kurze, hatte eine hochkarätige Delegation aus Vertretern der deutschen Wirtschaft für die Reise nach Naga gewinnen können, der sich der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Professor Peter-Klaus Schuster, und sein Stellvertreter, Professor Günther Schauerte, und als Vertreter der Deutschen Forschungsgemeinschaft Dr. Klaus-Dieter Bienert anschlossen. Neben dem Ägyptischen Museum Berlin war auch das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst München durch seine Direktorin Dr. Sylvia Schoske (mit Tochter Coco) vertreten, sind doch beide Museen durch ihre Anteile am meroitischen Goldschatz der Königin Amanishakheto und ihre nubisch-sudanesischen Bestände die einzigen Sammlungen im deutschen Sprachraum, in denen der antike Sudan prominent vertreten ist.
Zehn Jahre Arbeit am Amun-Tempel waren ein gutes Datum für einen offiziellen Festakt, der letztlich auf die Anregung von Hans Günter Gnodtke zurückgeht, den früheren deutschen Botschafter im Sudan. Sein Nachfolger, Botschafter Dr. Stephan Keller, nahm sich mit Engagement dieses Projektes an und machte es in Khartum publik. Im Januar 2006 konnte Dietrich Wildung im abendlichen Garten der Residenz des Botschafters vor zahlreich erschienen Repräsentanten der Politik, Wirtschaft und Kultur des Sudan über die Arbeit in Naga berichten, und Botschafter Keller rief zur Unterstützung eines Festakts in Naga auf. Sein Appell fand offene Ohren, stößt doch die Wiedergewinnung des historischen und kulturellen Erbes im Sudan zunehmend auf Interesse. Die Rolle des antiken Sudan als älteste Hochkultur des afrikanischen Kontinents gibt dem Land ein Selbstbewusstsein, das bis hinein in die Politik die Selbstachtung stärkt und einen wohl fundierten Stolz generiert. Die Ergebnisse archäologischer Forschung werden damit zu einem stabilisierenden Faktor des Dialogs des Sudan mit seinen Nachbarn und der Außenwelt auf gleicher Augenhöhe.
Der Festtag, der 1. Dezember 2006, begann für die deutsche Delegation am frühen Morgen mit der Fahrt nach Naga, um in einem ausführlichen Rundgang durch die antike Stadt die vielfältigen Aspekte des Berliner Projekts kennen zu lernen. Festtribüne und Festzelt, Parkplatzmarkierungen und Scheinwerfer für die abendliche Illumination waren unter dem wachsamen Auge von Dr. Karla Kroeper schon aufgebaut. Zunächst galt die Aufmerksamkeit dem Amun-Tempel; dann ging es weiter zum noch unberührten Tempel 500, zum Grabungshaus mit seinen Werkstätten und Magazinen, zur Hathor-Kapelle, an der das Oberbaum-Team seine Arbeit erläuterte, und schließlich zum Löwentempel.
Bereits am frühen Nachmittag trafen die ersten Gäste ein; schließlich waren es 500 oder 600 - wer weiß es zu sagen. Die Honoratioren des River Nile State, Mitglieder des Kabinetts und des diplomatischen Corps aus Khartum, die Professoren der Universitäten Khartum, Omdurman, Shendi belegten die Ehrenplätze. Ein Musikprogramm, das die kulturelle Vielfalt des riesigen Landes vom Südsudan bis in die Nordprovinzen, vom Darfur bis zum Roten Meer reflektierte, gliederte den Festakt. Als eine Musikergruppe aus Begrawija, der nahe bei Naga gelegenen Gegend von Meroe, auftrat, hielt es die bescheiden im Hintergrund im Sand vor dem Tempel hockenden Grabungsarbeiter nicht mehr. Sie drängten ins Festzelt und tanzten zu den ihnen wohl vertrauten Melodien und Rhythmen; es war ein Ritual der Inbesitznahme 'ihres' Tempels, das im Programm nicht eingeplant zum anrührenden Höhepunkt des Festes wurde.
Der Mond war inzwischen aufgegangen, und die dezente Illuminierung des Tempels lockte die Gäste zunächst ins Heiligtum, bevor im Festzelt das Büffet eröffnet wurde.
Dietrich Wildung
(Vollständiger Artikel in der
Mitgliederzeitschrift aMun Nr. 38)