Tag 1
Am 4. März 2017 sind 32 Vereinsmitglieder in der Früh aufgebrochen nach Italien, um die neu gestalteten Räume des Ägyptischen Museums Turin und die herrliche Stadt im Piemont zu erkunden. Standesgemäß wurde im Hotel „Cairo“ eingecheckt und Frau Lepper führte in das anstehende Programm ein.
Als Erstes stand eine Führung durch das Zentrum der Stadt auf dem Programm. Pünktlich stoppte der Regen und nach und nach entpuppte sich die Schönheit der Barockstadt durch die hervorscheinende Sonne. Die Stadtführerin empfing uns Piazza Castello im Herzen Turins. Die Begeisterung für ihre Heimatstadt funkelte aus ihren Augen und übertrug sich dank ihrer deutschen Stimme mit leicht italienischem Akzent in Windeseile auf die gesamte Gruppe. Die gezeigten Highlights sind alle leicht fußläufig zu erkunden und gaben Anreize zum Besuch einiger Stätten in der anstehenden Freizeit der kommenden Tage. Das Castello nimmt den zentralen Platz ein und wird umringt von dem königlichen Palast und der Kathedrale von San Giovanni Battista, um nur einige Bauwerke zu nennen.
Nach einer kleinen Stärkung folgte der nächste gemeinsame Programmpunkt — Turins Unterwelt: vier Stationen in vier Stunden. Gestartet wurde in der Nähe der Porta Palatina, die uns in Nachtbeleuchtung begrüßte.
In Eiskellern kühlten die Händler damals ihre Ware — Fleisch und Bier — mit Eis aus den umliegenden Bergen. Die Katakomben de Santuario Della Consolata sind nur während dieser Führung zu besichtigen und zeigen die besondere Statik im unteren Gewölbe einer Kirche samt Gräbern.
Ein längst vergessener, aber wieder entdeckter Luftschutzbunker aus dem 2. Weltkrieg liegt 11 m unter der Stadt und erinnert daran, dass Turin eine wichtige Industriestadt war und auch heute noch ist.
Mit dem Bus ging es zurück zur vierten und letzten Station, dem Turiner Dom. Während der Stadtführung hatten wir ihn bereits innen besichtigt. Aber diesmal stiegen wir hinab zu seinen Grundmauern, die die verschiedenen Phasen der Bebauung des antiken Turins aufzeigen. Das im Keller liegende Museum beherbergt Objekte aus der Umgebung und zeigt vor allem immer wieder unter Glasböden alte Reste der profanen und kirchlichen Bauten und auch Gräber, die an die etruskische Besiedlung erinnern.
Die kommenden zwei Tage standen dann ganz im Zeichen des neu gestalteten Ägyptischen Museum Turin.
Tag 2
Am freien Vormittag konnte jeder die Orte besuchen, die am Vortag während der Stadtführung nur angesprochen oder zu kurz besichtigt worden waren, oder einfach nur bummeln gehen. Ein Blick über den Po bei herrlichem Sonnenschein hinüber zu Piazza Vittorio Venetto, von der die Via Po ins Zentrum führt, zeigt den Reichtum der Stadt der Savoyer recht deutlich. In der Ferne auf einem Hügel ist die Basilica di Superga mit dem Mausoleum der Savoyer zu erblicken.
Am Nachmittag gab es eine Führung der besonderen Art. Frau Lepper erklärte die zahlreichen und qualitativ hochwertigen Papyri der Turiner Sammlung. Sehr positiv fiel auf, dass der Totenpapyrus, der noch 4 Jahre zuvor in 5m Höhe in einem riesigen Saal thronte, aber dadurch nicht wahrnehmbar war, nun an den Anfang des Rundgangs gesetzt ist und in Augenhöhe präsentiert wird. Dieses Totenbuch schlägt natürlich auch die Brücke zu Deutschland, denn Richard Lepsius war es, der diesen Papyrus ausgiebig studierte und den Begriff Totenbuch prägte. Frau Lepper konnte nur einige der 165 Sprüche anreißen, dann ging es bereits weiter. Der Turiner Königspapyrus befindet sich im anschließenden Raum, der die wichtigsten italienischen Ausgräber und die erste Präsentation des Museums erklärt. Das geübte Auge erblickte die Kunst und Architektur, deren eingehende Betrachtung erst für den nächsten Tag vorgesehen war. Denn papyrologisch ging es weiter über die ältesten Funde aus Gebelein hin zum Grundriss des Grabes von Ramses IV. im Tal der Könige. Erst das Vergleichsbild, das Frau Lepper mitgebracht hatte, verdeutlichte die Genauigkeit dieses Planes und half, den fragmentarischen Papyrus besser zu verstehen. Die aufgeschlossene und ägyptologisch bewanderte Gruppe begrüßte die Idee, sich mit dem Direktor, Herrn Greco, über einige Ideen zur Gestaltung und zum besseren Verständnis der gezeigten Objekte auszutauschen. Einige der Papyri — wie beispielsweise der Plan des Wadi Hammamat mit den Goldminen — sind idealerweise so ausgestellt, dass sowohl recto (Vorderseite) als auch verso (Rückseite) zu sehen sind. Der satirische/erotische Papyrus wurde ebenso besprochen wie die Beschreibung eines Streiks der Arbeiter in der Künstlersiedlung Deir el-Medina. Frau Lepper führte die zwei Gruppen separat, was auch eine eigene Erkundung der Räume gestattete.
Zwar ist der neu gestaltete Katalog nicht in deutscher Fassung erhältlich, aber die englische Fassung ist kurzweilig und verständlich geschrieben und — sehr praktikabel — nach Etagen und Räumen organisiert, was die Vor- und Nachbereitung wesentlich erleichtert.
Am Abend dinierten wir in einem typischen italienischen Restaurant, dem Caffè Fiorio in der Via Po. So konnten weitere Hinweise bekanntgegeben und Dankesworte getauscht werden. Im Separée mit Buffet wurden neue Bekanntschaften geknüpft sowie bestehende ausgebaut.
Tag 3
Ganz Eifrige hatten am Vormittag die Gelegenheit, das Museum dank der guten Beziehungen zwischen den beiden Häusern erneut kostenlos zu besuchen. Alternativ konnte Turin selbständig erkundet werden.
Und nun zum Höhepunkt dieser Freundeskreisreise, dem geradezu privaten Besuch im Museo Egizio.
Während der Schließzeit des Museums am Nachmittag empfing uns Herr Greco mit seinem Team ganz herzlich und lud uns zu einer gesonderten Führung in den nun besucherleeren Räumen ein. In seinen Grußworten erklärte er das Konzept der Neugestaltung und griff einige Punkte auf, die auf jeden Fall noch verbessert werden müssen, wie
z.B. die Beleuchtung.
Anschließend führten uns zwei der Kuratoren des Museums in zwei kleinen Gruppen exklusiv durch das Museum. In der familiären Atmosphäre traute man sich schnell, Fragen zu stellen, und so entstand ein offener Dialog im freundschaftlichen Beisammensein. Würde doch die Zeit nicht immer so eilen.
Für Kenner der vorherigen Ausstellung zeigte sich der Zugewinn zusätzlicher Ausstellungsflächen ganz deutlich. Die Anzahl der auf der nun doppelten Fläche gezeigten Objekte ist in etwa gleich geblieben. Eine thematische Gliederung ist in Turin unabdingbar, da viele zusammenhängende Grabausstattungen erworben wurden. Einzig der Spiegelsaal mit der Großplastik fällt aus dem Rahmen. Beim ersten Betrachten wirkt dieser Saal faszinierend; ins Konzept bettet er sich aber nicht ein, da er die Objekte sehr bewusst inszeniert, anstatt sie ins rechte Licht zu rücken. Einer der Punkte, die Herr Greco überarbeiten möchte — wir bleiben gespannt. Insgesamt werden Berlin und Turin enger wissenschaftlich miteinander zusammenarbeiten, und wir können so Informationen aus erster Hand erhalten. Nicht zuletzt durch die mit einer deutschen Kollegin besetzte Papyrologenstelle, mit der Frau Lepper in direktem Kontakt steht.
Die Führung begann im neu gestalteten Geschoß -1, das neben dem Eingang und Buchladen in die Sammlung einführt. Die Kuratoren sind natürlich stolz darauf, dass italienische Ausgräber recht früh und in vielen Teilen Ägyptens geforscht und gegraben haben.
Über eine lange Treppe geht es hinauf in den 2. Stock - nilaufwärts. Denn an der Wand befindet sich ein modernes Kunstwerk, das die Karte Ägyptens zeigt und von der Südgrenze ins Delta führt. Der Rundgang ist klar gestaltet, um auch große Besuchermassen leicht durch das Haus führen zu können. Die Vor- und Frühzeit bildet den Anfang. Für wiederkehrende oder besonders interessierte Besucher gibt es eine Studioinstallation eine halbe Treppe hinauf — abseits des Besucherstroms. Gräber wie die des Iti aus Gebelein mit Eselsdarstellungen erhielten einen gesonderten Raum. Über die Funde des Mittleren Reiches geht es ins Neue Reich.
Im 1. Stock ist ein Raum der Arbeitersiedlung Deir el Medina und ihrer Bewohner gewidmet, die nicht nur die Gräber im Tal der Könige gestalteten sondern auch ihre Eigenen mit aufwendigen Dekorationen schmückten. Das Grab des Kha hat einen großen Raum erhalten und wird nicht mehr in der einstigen Enge präsentiert. Die Holzsärge sind in einem langen Gang mit historischer Deckenbemalung ausgestellt und führen hinüber in die Spätzeit sowie die römische und christliche Epoche.
Die letzte Etage beherbergt die Großplastik in dem schon erwähnten Spiegelsaal. Daneben schließt sich der nubische Raum mit dem Tempel von Ellesiya an — einer Schenkung der ägyptischen Regierung zum Dank für die italienische Beteiligung an der Rettung der Altertümer beim Bau des Assuan-Staudammes.
Wir danken den beiden Kuratoren und Herrn Greco für diese außergewöhnliche Möglichkeit des Museumsbesuches und diese eingehende und ambitionierte Führung.
Tag 4
Der vierte und letzte Tag stand zur freien Verfügung, und jeder erkundete Turins Sehenswürdigkeiten bei frühlingshaften Temperaturen allein oder in kleinen Gruppen. Da Mailand nur 50 Minuten mit dem Schnellzug entfernt liegt, war auch diese Nachbarstadt eine Option. Tipp: Das Castello Sforcezco beherbergt eine kleine ägyptische Sammlung, in der die Statue des Pharao Amenemhet III aus Medinet Maadi (Fayoum), dem einzigen erhaltenen Tempel des Mittleren Reiches, eine besondere Attraktion ist.
Während des Wartens auf den Rückflug wurden die letzten Impressionen in der Gruppe geteilt.
Eine „Nachbereitung“ der Reise an einem Dienstagabend im Rahmen der Vortragsreihe ist bereits angedacht. Dazu sind natürlich nicht nur die Reiseteilnehmern sondern auch weitere Interessierte sehr herzlich eingeladen. Denn wenn Herr Greco seine vorgestellten Pläne realisiert hat, ist eine erneute Reise nicht auszuschließen.